I Will Follow


Weihnachten fiel im vergangenen Jahr schon auf den 7. Dezember, denn das was ich da auspacken durfte, war nicht nur von exzellentem Inhalt, sondern auch wunderbar liebevoll verpackt. In einer edlen schwarzen Box geliefert, schauen vier altbekannte und doch so junge Gesichter vom Cover. Es ist natürlich die Rede von der Geburtstagsversion des 1987 U2-Albums The Joshua Tree. Auf die Bedeutung des Re-Releases dieser 20 Jahre alten Meilensteins der Rockmusik bin ich bei der Vorankündigung hier schon ausführlich eingegangen. Die Vorfreude war groß und hat sich voll erfüllt.

Natürlich ist es schön, dass das Album nochmal eine Frischzellenkur erlebt hat und von The Edge persönlich remastered wurde. Doch den richtigen großen Unterschied zur Ursprungsversion kann ich nicht feststellen, da ich im Besitz der Remastered Gold-Edition war, die bereits besser als die Ursprungsversion klang. Auch die Bonus-CD ist erst ab Titel 9 interessant, denn die ersten acht Titel sind nicht nur Hardcore-Fans, sondern auch Mittelklasse-Fans hinlänglich bekannt. Am interessantesten ist sicherlich Wave Of Sorrow, wobei Bonos Stimme merkwürdig erwachsen klingt. Kein Wunder, hat er den Text doch erst im vergangenen Jahr eingesungen – bis dahin war der Song immer unfertig. Die anderen Songs sind nett zu hören und ein Beleg der ungeheuren Schaffenskraft der Band Ende der Achtziger – doch ein verdeckter Schatz, eine unentdeckte Song-Perle wird man nicht finden.

Ganz anders beim eigentlich Höhepunkt der Fan-Box: Die Live-DVD vom Konzert am 4. Juli 1987 im Hippodrome De Vincennes in Paris. Einige Fans hatten vielleicht noch einen Mitschnitt der TV-Aufnahme als Video im Archiv, doch dieser ist nicht nur selten, sondern auch noch in nicht vergleichbarer Qualität gewesen. Es ist ein Konzert aus einer anderen Ära, die bisher noch nicht auf DVD gebannt wurde (Rattle & Hum als Konzert-Film einmal ausgenommen). Um das Besondere zusammen zu fassen: U2 waren noch jung.

Bono rennt in Predigerklamotten rum, mit Halstuch und den engen Hosen in verboten-peinlichen Stiefeln. Edge steht dem kleidungsmäßig nichts nach und hat noch Haare auf dem Kopf, die er aber damals schon unter einem Hut versteckt. Wer sich ungewohnt viel bewegt, ist Adam, während Larry aussieht wie immer. Musikalisch strahlen die vier Iren viel Power aus und geben alles, um diese auf das Publikum zu übertragen. Doch musikalisch waren sie auch noch nicht so weit wie einige Jahre später, besonders gut ist das an Bono festzumachen. Damals noch gut bei Stimme, nutzt er diese aber nicht, um richtig gut zu singen, sondern häufig nur, um die Strophen aus voller Kehle ins Mikro zu schreien. Seinen gesangstechnischen Höhepunkt hatte er fünf, sechs Jahre später während der ZooTV-Tour, doch bei den Aufnahmen aus Paris wird auch deutlich, wann er sich die Stimme so kaputt gemacht hat, so dass er heutzutage kaum ein komplettes Konzert, geschweige denn Tournee, gesanglich durchhält.

Trotz der Einmaligkeit des Konzerts, der grandiosen Stimmung und dem vollen Einsatz der Band, kann ich nicht behaupten, dass früher alles besser war. Dazu wirkt die Band zu gehetzt und wer behauptet, dass früher, als noch keine Video-Leinwände und Computer-Animationen die Show unterstützen, die Musik im Vordergrund stand, dem sei widersprochen. Musikalisch wirken die neueren Aufnahmen wesentlich diffiziler. Ich würde sogar behaupten, dass U2 trotz des Bombastes von ZooTV und Popmart mehr Wert bei diesen Shows auf die Musik gelegt haben.

Leider hatten U2 auch bei dieser Veröffentlichung mal wieder einen knausrigen Blick auf das eigene Portemonnaie und so fehlen die Eingangsstücke Stand By Me und C’mon Everybody ebenso wie Help – man hätte ja dafür bezahlen müssen. Ansonsten ist das Konzert ungeschnitten, sogar With Or Without You ist in voller Länge mit Unterbrechung drauf. Bono musste die Fans beruhigen, da die Zuschauer in den ersten Reihe erdrückt zu werden drohten. Einen Höhepunkt herauszupicken ist schwierig, denn besonders Hardcore-Fans freuen sich natürlich über seltene Stücke – allen voran Exit, The Unforgettable Fire, In God’s Country, Trip Through Your Wires und Party Girl – und vernachlässigen Songs, die nahezu auf jeder DVD zu sehen sind. Doch am besten lässt sich die DVD ganz durchschauen, denn wirkliche Schwächen gibt es nicht. Faszinierend, dass U2 bereits vor 20 Jahren ein Song-Repertoire hatten, mit dem sie ein Konzert füllen konnten, ohne dass es Zeit zum Bier holen gibt. Obwohl … das bringen die Amerikaner bei jedem Konzert fertig, egal wie gut es ist.

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